Oddagrein· David und Goliath

In einem alten Buch wird berichtet von einem Riesen, der sechs Ellen und eine Handbreit groß war. Er hatte einen eisernen Helm auf seinem Haupt, er war gepanzert und hatte eiserne Schienen auf seinen Beinen. Dieser Philister war von seiner Macht überzeugt. Er sagte zu seinen Gegnern: Gebt mir einen Mann und lasst uns miteinander kämpfen.
Sein Gegner wurde der kleine David, jung, bräunlich und schön und nur mit fünf glatten Steinen und einer Schleuder bewaffnet. Er trug kein Schwert, und trotzdem besiegte er den Riesen. Er war nämlich schlauer.

Heute stehen zwei Fussballmannschaften einander gegenüber, die so ungleich sind wie der Philister und der Schafhirte David. Die deutsche Mannschaft hat mehrmals die Weltmeisterschaft gewonnen, wir haben fast immer verloren, und als wir gegen Österreich gut spielten und siegten, war es wahrscheinlich dank der bekannten österreichischen Sorglosigkeit.
Das färöische Wort ?fótbóltskampur´ heisst nicht so auf deutsch. Man sagt nicht Kampf sondern Spiel. Es ist wichtig zu wissen, dass es sich um ein Spiel handelt, eine kulturelle Begebenheit, die eben so gut vereinen wie spalten kann. Wir haben nicht wenig von Deutschland bekommen im Laufe der Jahre. Wer kennt nicht Namen wie Martin Luther, Konrad Röntgen, Robert Koch, Karl Marx, Rudolf Diesel, Ludwig van Beethoven und Johann Sebastian Bach. Fast alle Färinger lernen Deutsch in der Schule (obwohl nicht alle es so fliessend sprechen), und wir haben sogar einen Deutsch-Färöischen Freundeskreis (www.faeroeer.de) mit 160 Mitgliedern (Zeitschrift "Tjaldur", halbjährlich).
Der große deutsche Satiriker Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) hat einmal gesagt: "Bücher sind wie Spiegel; wenn ein Affe hineinguckt, dann kann kein Apostel herausschauen." So müssen wir auch das Fussballspiel sehen: eine Zusammenkunft, die die Gelegenheit bietet, einander besser kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen und Freundschaften zu schliessen. Dieses Ereignis könnte auch dazu beitragen, dass unser kleines Land in Deutschland bekannter wird, dass unsere wirtschaftlichen Beziehungen stärker werden, und mehr deutsche Touristen zu uns kommen. Zu diesem Zweck wurde das schöne Schiff "Norröna" in Deutschland gebaut.

Wer gewinnt, wissen wir nicht. Wie wird die färöische Strategie sein? Werden wir ein zähes Verteidigungsspiel vortäuschen, das dann in einen plötzlichen Angriffssturm übergeht? Wer weiss?
Nach dem Spiel wird es einen Sieger geben. Wahrscheinlich wird die deutsche Mannschaft besser davon kommen. Es könnte auch so gehen, dass die Färinger gewinnen.
Jedenfalls wissen wir, dass es den Deutschen im Falle eines färöischen Sieges nicht so geht wie dem Philister in der alten Sage. Es steht geschrieben, dass David zu dem Philister trat und dessen Schwert nahm und ihn vollends tötete und ihm den Kopf damit abhieb. Und später ging David zu dem König "und er hatte des Philisters Haupt in seiner Hand...."
Nichts dergleichen hat Rudi Völler zu befürchten. Wir werden ihm die Hand drücken, wir werden ihm Bier einschenken und hoffen, dass unsere deutschen Gäste sich bei uns wohl fühlen werden.

Sosialurin